American Beauty (Thomas Newman) - Filmmusik-Betrachtung



                                                                                       Trailer



American Beauty ist ein Film aus dem Jahre 1999 von Sam Mendes. In den Hauptrollen finden sich Kevin Spacey und Annette Bening. Für die Musik zeichnete sich Thomas Newman verantwortlich. Soundtrack und Film galten als einer der Höhepunkte des Jahres.


"American Beauty" - ein musikalisches Thema für die Schönheit


Der Film handelt unter anderem, wie der Name schon sagt, von Schönheit. Ziel für Newman musste es also wohl sein, ein universelles musikalisches Thema für Schönheit zu finden. Man kann sich nun streiten, ob ihm dies gelungen ist. Auf jeden Fall erklingt dieses Thema in der Szene der tanzenden Tüte, welche sicher eine von diesen ist, die einem in den Sinn kommt, wenn man an den Film denkt. Auf dem Soundtrack-Album findet sich die Musik im Track "American Beauty".


"Die tanzende Tüte" - Szenenanalyse


Wir erleben eine Szene, ungefähr in der Mitte des Films, in der Jane und Ricky in Rickys Zimmer sitzen und ein Video ansehen, welches letzterer gefilmt hat. Er erzählt, wie es dazu kam, dass er diese Aufnahme machte. Er redet über drei Minuten lang. Jane sagt durchgängig nichts. Die Szene beginnt mit einer Einstellung, wo man die beiden unscharf von hinten sieht. Vor ihnen läuft ein Fernseher mit eben dieser Tüte als Motiv. Die Musik setzt sanft in Form von einem Synthesizer ein und wird dann durch ein Klavier ergänzt. Ricky sagt: "Das war einer von jenen Tagen, an denen es jeden Moment schneien kann und Elektrizität in der Luft liegt." Das Klavier spielt eine sanfte Melodie mit recht vielen offenen Akkorden. Die Melodie schwebt ebenso wie die Tüte. "Man kann sie fast knistern hören, stimmt's?" Diese Frage ist wohl nicht nur an Jane, sondern auch an das Publikum gerichtet. In diesem Moment setzt ein etwas vordergründigerer Synthesizer ein, ohne jedoch aufdringlich zu werden. Er erklingt, wie aus der Ferne. "Und diese Tüte hat einfach mit mir getanzt, wie ein kleines Kind, das darum bettelt, mit mir zu spielen." Jetzt kommt ein tiefer Bass hinzu. "Fünfzehn Minuten lang. " Die Kamera zeigte die ganze Zeit die beiden von hinten, während sie sich kaum merklich immer mehr ihnen näherte. Jetzt folgt ein Schnitt, in welchem Ricky in naher Ansicht frontal zu sehen ist. Und er sagt einen der entscheidenden Sätze des Films: "An dem Tag ist mir klar geworden, dass hinter allen Dingen Leben steckt", Schnitt, so dass nun nur noch das Bild im Fernseher mit der Tüte zu sehen ist; die Musik steigert sich leicht, "und diese unglaublich gütige Kraft", jetzt setzen tiefe Streicher ein, welche diese gütige Kraft wohl ausstrahlen sollen, ", die mich wissen lassen wollte, dass es keinen Grund gibt Angst zu haben." Jetzt ein Schnitt, Jane ist aus naher Einstellung von halbrechts zu sehen, und Ricky fügt hinzu: "Nie wieder." Der Fokus bleibt auf ihr. "Ein Video ist ein armseliger Ersatz, ich weiß. Aber es hilft mir, mich zu erinnern. Und ich muss mich erinnern." Sie bewegt ihren Kopf in seine Richtung. Die Musik ist inzwischen wieder etwas ruhiger geworden. Jetzt wieder er von vorn in Nahaufnahme. "Es gibt manchmal so viel Schönheit auf der Welt, dass ich sie fast nicht ertragen kann. Und mein Herz droht dann daran zu zerbrechen." Er weint fast, bevor sich sein Blick aufklart und er wie über sich selbst erschrickt. Mit dem nächsten Schnitt sieht man ihn links unscharf im Vordergrund, während sie ihn verständnisvoll ansieht. Die Stimmung in der Musik bleibt ruhig, bis die Kamera nach unten schwenkt und sie seine Hand nimmt. In diesem Moment wird die Musik nicht lauter, aber es setzt ein dezenter Synthesizerklang ein, der die Spannung des Films unterstützt. Es wird für wenige Sekunden sein überraschtes Gesicht gezeigt, mit ihr unscharf im Vordergrund. Dann wieder sie, wie in der Einstellung davor. Sie beugt sich zur Seite und küsst ihn. Die Musik wird dort noch einmal intensiver, zieht einen in die Szene hinein, bleibt aber, wie die gesamte Zeit hindurch, verhältnismäßig dezent. Der tiefe Bass setzt wiederholt ein. Und erstmalig spielen die Streicher die vage Melodie des Klaviers mit. Für zwei kurze Takte. Sekunden später ist die Szene beendet.


Zwei Soundtracks für eine Welt


Wie in dieser Szene, glänzt die Musik im gesamten Film nicht mit hervorstechenden Themen, noch verfügt sie über besonders ausgefallene Orchestrierungen. Zum größten Teil spielen Synthesizer eine entscheidende Rolle. Musik ist in dem Film insgesamt schon recht wichtig und teilweise auch vordergründig, allerdings eher durch Songs, welche von den Hauptpersonen mitgesungen werden und welche ihrer derzeitigen Lebenssituation entsprechen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Original-Filmmusik. Deshalb gibt es auch zwei Alben des Soundtracks, wo beide Bereiche separat abgedeckt werden. Thomas Newmans Score spielt also im Bereich des bewussten Wahrnehmens für die meisten Menschen, die diesen Film sehen, keine größere Rolle. Aber die oben besprochene Szene soll exemplarisch dafür stehen, wie grundlegend sie für dessen Wirkung ist. Es sind oft nur kleine Fingerzeige, die im Zuschauer jedoch unterbewusst viel auslösen können. Die Musik verleiht dem Film eine ganz eigene Dynamik. Es ist anzunehmen, dass Newman und Mendes recht eng zusammengearbeitet haben, um eine solche Abstimmung zu erzielen.


Kevin Spacey unter der Dusche


Noch extremer, was Struktur und Dynamik angeht, funktioniert die Musik am Anfang des Films, wo sich Kevin Spaceys berühmte Duschszene findet. Der zugehörige Track auf dem Album ist "Dead already". Dort findet sich ein eigenartiges Zusammenspiel von Bild und Musik. Letztere ist nicht wirklich vordergründig, gibt aber bisweilen sehr wohl den Takt an.  Sie ist auf der einen Seite "taktlos", auf der anderen aber recht dominant. Die Musik wirkt auf dem Album wie eine Collage. Aber im Film funktioniert sie einwandfrei, was wirklich faszinierend ist.


American Beauty als potenzieller Auslöser einer Schaffenskrise


Ich möchte an dieser Stelle noch etwas Persönliches anmerken, um den Stellenwert dieses Soundtracks in meiner Sammlung darzustellen. Es gab eine Zeit, in der die ruhigeren Momente dieses Scores dazu führten, dass ich kein einziges Stück mehr zu Papier brachte. Ich war eigentlich immer recht inspiriert und fleißig (außer wenn meine Zeit allzu knapp bemessen war), was mein kompositorisches Schaffen anging. Aber dieses Album stürzte mich in eine Schaffenskrise. Ich hatte immer versucht, Schönheit musikalisch darzustellen. Und Thomas Newman komponierte ein Thema, welches mir jeglichen Sinn des Komponierens nahm. Der Track "American Beauty" war für mich eine Weile der Inbegriff von simpler Schönheit. Und er hemmte mich. Ich hatte das Gefühl, nichts Vergleichbares schaffen zu können. Das war recht deprimierend, ging aber zum Glück vorbei.
Ich für meinen Teil kann diesen Soundtrack, wie also zu vermuten ist, nur wärmstens empfehlen. Für mich ist er einer der besten dieses noch jungen Jahrhunderts.




Special: Clip from the movie


Hier ist die Plastiktütenszene zu sehen, wenn auch leider nicht in voller Länge.




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