Harry Potter und der Feuerkelch (Patrick Doyle) - Filmmusik-Betrachtung



                                                                                       Trailer


Ab hier wird alles anders. Erstmals erklingt Hedwigs Thema nicht ganz zu Beginn eines Harry-Potter-Films. Stattdessen hört man zum Einfliegen des Warner-Brothers-Emblems eine aktionistische Musik, welche vor allem durch Streicher geprägt ist. Erneut hat Harry Potter einen neuen Regisseur (Mike Newell) und nun mit Patrick Doyle auch einen neuen Komponisten, nachdem John Williams sich für die ersten drei Teile verantwortlich zeichnete.


Patrick Doyle und die Epik


Es ist immer wieder interessant zu sehen, was aus Komponisten herauszuholen ist, wenn sie ihr angestammtes Genre verlassen. Am eindrucksvollsten ist dies in den letzten Jahren sicher bei Howard Shore in Erscheinung getreten, als dieser mit der Herr-der-Ringe-Trilogie erstmalig in seiner Karriere ein wirklich episches Werk vertonte.Ähnliches gilt auch für Patrick Doyle, der vor Harry Potter eher im historischen Bereich gearbeitet, und relativ dezente Musiken geschrieben hatte. Beispiele dafür sind Sinn und Sinnlichkeit, Große Erwartungen und Gosford Park. Mit Harry Potter und der Feuerkelch wagte sich Doyle in eine ganz neue Welt.


Große Erwartungen an Doyle


Als bekannt wurde, dass nach John Williams ein neuer Komponist sich an das Harry-Potter-Franchise wagen würde, waren die Erwartungen sicher nicht gering und der Druck für Doyle ziemlich hoch, hatte Williams doch mit "Hedwigs Theme" eine Melodie entwickelt, die stellvertretend für das gesamte musikalische Potter-Universum stand. Eine Frage, die sich viele Filmmusikliebhaber sicher zu dieser Zeit stellten, war, inwiefern dieses Thema auch bei Doyle einfließen würde. Es ganz wegzulassen war für die meisten sicher unvorstellbar. Und offensichtlich ging das Doyle auch so, denn in regelmäßigen Abständen kann man im Soundtrack dann immer wieder Variationen von "Hedwigs Theme" hören. Schön dabei ist, dass die Variationen eben nicht von Williams, sondern einem anderen Komponisten stammen, was ihnen teilweise eine ganz neue Stimmung gibt.


Patrick Doyle entwickelt eine neue Klangwelt


Abgesehen vom "Eulenthema" nimmt Doyle allerdings so gut wie gar keinen musikalischen Bezug zu den vorangegangenen Filmen. Er erschafft so einen fast rundum erneuerten Potter-Sound. In gewisser Weise stellt Harry Potter und der Feuerkelch auch einen Einzelkämpfer in der Heptalogie dar, da er der einzige der Teile ist, wo Regisseur und Komponist komplett neu angeheuert wurden. Arbeitete Alfonso Cuaron nach Chris Columbus in Teil 3 noch mit John Williams, kam es für Teil 4 zu einem kompletten Bruch. Ab Teil 5 übernahm dann David Yates die Regie und brachte Nicholas Hopper als Komponist ins Spiel. Yates zeigte sich dann für alle folgenden Potter-Filme verantwortlich. Nur der Komponist wechselte ab Teil 7/1 noch einmal, aber sonst herrschte Konstanz. Gefühlsmäßig könnte man also sagen, dass Teil 1 und 2 zusammengehörten, Teil 3 eine gewisse Sonderstellung einnahm, Teil 4 eine absolute Sonderstellung beanspruchte und ab Teil 5 wieder Kontinuität einkehrte. Im Grunde genommen kann man an den acht Harry-Potter-Filmen sehr gut sehen, welch starken Einfluss der Regisseur auf einen Film hat. Die Schauspieler sind kaum entscheidend. Ein guter Regisseur holt auch aus mäßigen Schauspielern viel heraus, während ein mäßiger Regisseur gute Schauspieler auch schlecht in Szene setzen kann. Mit ihm steht und fällt alles. Aber ich schweife ab.


Zahlreiche neue Themen


Patrick Doyle entwickelte für den vierten Potter viele neue Themen und Motive. Interessant ist, dass auch Doyle, wie schon Williams, kein klares Thema für die Hauptfigur entwickelt. Was diesem vielleicht am nächsten kommt, ist der Track "Harry in winter". Was allerdings ganz klar erschaffen wurde, ist ein Thema für die Bedrohung durch Voldemort, vielleicht sogar für Voldemort selbst. In "Frank dies" findet es sich zu Beginn, ebenso im Track "Voldemort". Ansonsten gibt es eigentlich kein wirkliches Leitmotiv, was vielleicht darauf hindeuten soll, dass der dunkle Zauberer und seine Wiederauferstehung am Ende des Films, absolut im Zentrum stehen. Jede Szene hat ihre eigene Musik, was natürlich zu einer großen thematischen Vielfalt führt. So ist das für die Quidditch-Weltmeisterschaft, die Ankunft der Schüler der anderen Schulen, den Kampf mit Drachen und Meereswesen und auch das Labyrinth. Sogar Myrte bekommt ihr eigenes Englisch-Horn-Thema. Interessant sind die zwei Walzer für Neville und Harry, die in bester klassischer Manier komponiert sind und den etwas lockereren Mittelteil des Films gut untermalen. Ein außergewöhnliches Stück ist der "Hogwarts' march", den man ebenfalls beim ersten Hören kaum in der Filmmusik verorten würde. Den musikalischen Höhepunkt des Score auf dem Album bildet für mich "Hogwarts'  hymn". Ein wirklich großes und majestätisches Stück. Im Film allerdings gibt es eine Szene, die ich noch um Längen größer finde. Sie ist nicht lang. Vor der zweiten Aufgabe wird eine Kamerafahrt um die Türme im Wasser geführt. Die treibende Musik dazu ist umwerfend und es ist kaum zu glauben, dass sie es nicht aufs Album geschafft hat.


Ein ungewöhnlicher Score


Wem kann dieser Soundtrack nun empfohlen werden. Erst einmal vielleicht Leuten, die nicht zu sehr an den Williams-Vorgängern hängen. Man muss sich einfach vor Augen führen, dass die gesamte Instrumentation und Orchestration eines Patrick Doyle komplett anders ist. Er setzt beispielsweise die Streicher ganz anders ein. Einen Track wie "Harry in winter" wird es unter Williams wahrscheinlich nie geben. Als Fan der Harry-Potter-Filme lohnt sich ein Reinhören in jedem Fall. Man kann auch argumentieren, dass er schon aufgrund seiner Sonderstellung in den Harry-Potter-Filmen eine Chance verdient.



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