Departed (Howard Shore) - Filmmusik-Betrachtung



                                                                                       Trailer


Departed ist ein Film von Martin Scorsese aus dem Jahre 2006 mit Jack Nickolson, Matt Damon und Leonardo DiCaprio in den Hauptrollen. Er ist ein Remake des Hongkonger Films Internal Affairs. Die Kritiker überschlugen sich mit Lobeshymnen auf das Werk, und auch mit Auszeichnungen bei Filmfestivals wurde Departed reichlich gesegnet. Für die Filmmusik wurde Howard Shore verpflichtet.


Der Tango und die Iren


Nun, Der Herr der Ringe klang sicher etwas anders. Hier gibt es keine pompösen Posaunen oder breite Streicherpassagen. Hier gibt es Tango und elektrische Gitarren. Interessant ist, dass die Idee, den Tango in diesen Film einfließen zu lassen, aus der Feststellung Scorseses entstand, dass alle Hauptcharaktere in einen Tanz verwickelt waren, aus dem sie nicht entfliehen konnten - einen Tanz des Todes. Dies war Scorseses und Shores Ansatz. Weshalb die Wahl des Tangos aber ebenfalls günstig erscheint, ist, dass er Ende des 19. Jahrhunderts in den Vororten von Buenos Aires und Montevideo entstand - und zwar im verarmten Einwanderermilieu. Er ist also in seinem Ursprung unter anderem ein Tanz der gestorbenen Hoffnungen. Genau dies ist auch die Situation der Iren in Departed. Der Tango kann also in diesem Film auch als Ausdruck des gescheiterten amerikanischen Traums interpretiert werden.

Der Klang der Stille


Herausragend ist der Einsatz der Musik über den gesamten Film hinweg. Im Normalfall ist es eher so: Soll Spannung erzeugt werden, wird Musik eingespielt. Hier ist es umgekehrt. Wird es spannend, schweigt die Musik komplett. Über weite Teile des Films hinweg hört man Melodien verschiedenster Art. Es wirkt tatsächlich wie ein Tanz. Alles ist leicht und beschwingt. Es gibt im ersten Drittel des Films einen Abschnitt, wo über 20 Minuten hinweg fast ununterbrochen Musik läuft. Sie bildet so etwas wie einen Teppich. Und solange diese Musik vor sich hin dudelt, wähnt man sich in Sicherheit. Dann fällt die Musik weg und man weiß, dass es spannend wird. Ein bisschen wirkt dieses Muster sogar wie eine Gesellschaftskritik. In unserer Welt brauchen Menschen immer etwas, was im Hintergrund dudelt. Etwas, was sie in Bewegung hält. Stille hat für viele Menschen einen bedrohlichen Charakter. Denn Stille kann zu Besinnung führen. Und vor der Besinnung steht meist die Angst vor der Veränderung. In unserer heutigen Welt wirkt Stille bedrohlicher als Zwölftonmusik. Und genau das nutzt Shore hier; bewusst oder unbewusst.


Die einsame Gitarre und das unheilvolle Grummeln


Neben dem Tango gibt es noch zwei weitere grundlegende Elemente des Soundtracks. Das eine ist gekennzeichnet durch eine einsame Gitarre, die entweder Solo oder über eine sanfte Begleitung spielt. Beispiele dafür sind die Tracks "Beacon Hill", "Billy's Theme" oder "Boston Common". Sie erklingen in Situationen, in denen es im Hintergrund dudeln soll. Sie sind nicht aufdringlich und erzeugen keine herausfordernden Emotionen. Im Gegensatz dazu stehen die Tracks "344 Wash" und der Anfang von "The Faithful Departed". Hier handelt es sich um Stücke, die durch ihre Dissonanz etwas aufwühlen sollen. Sie deuten im Film unheilvolle Dinge an, bleiben aber in ihrer Wirkung etwas weniger bedrohlich als der Einsatz der Stille.


Der Fluch des Ringes


Man kann zu dem Schluss kommen, dass dieser Soundtrack für sich allein stehend ein sehr schönes Hörerlebnis ist, aber dass er seine volle Wirkung tatsächlich im Film entfaltet. Vor allem, wenn man sich die möglichen Intentionen dahinter ansieht. Kompositorisch hat Shore hier wieder einmal gezeigt, wie vielfältig sein Können ist. Dieser Soundtrack wird wohl nie die Popularität eines Herr der Ringe erreichen; dafür sind die Melodien nicht markant genug. Insofern muss die Tolkien-Trilogie für den Komponisten so etwas wie ein Fluch sein, da er wohl immer wieder an seinem bisher bekanntesten Werk gemessen wird; genauso wie John Williams sich wahrscheinlich hin und wieder anhören musste, dass Die Asche meiner Mutter oder Sieben Jahre in Tibet ja wirklich hervorragende Soundtracks seien, aber eben nicht an Schindlers Liste heranreichten. In Hinblick auf Departed soll aber unbedingt noch gesagt werden, dass die intellektuelle Einbettung der Musik in den Film und der bewusste Verzicht selbiger in entscheidenden Szenen, absolut hervorragend gelungen ist. Es zeugt von großer Intelligenz und auch Demut, wenn man gewillt ist, seine Stimme schweigen zu lassen, wenn es angebracht erscheint. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, sagt man im Volksmund. Und genau dies hat Howard Shore hier getan.


Special: Clips from the Movie


In dem ersten Clip hört man im Hintergrund eine sanfte Gitarrenbegleitung, wie sie unter dem Abschnitt "Die einsame Gitarre und das unheilvolle Grummeln" beschrieben ist.


Und hier nun hört man das "Unheilvolle Grummeln".



Unterstütze Film und Musik. Beginne deinen Einkauf bei Amazon hier:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen