Whale rider (Lisa Gerrard) - Filmmusik-Betrachtung



                                                                                        Trailer



Whale rider ist ein Film von Niki Caro aus dem Jahre 2002. Der Film wird von vielen als einer der besten Independent-Filme des noch jungen 21. Jahrhunderts angesehen. Es handelt sich bei ihm um ein Film-Märchen, welches sich mit dem Überwinden von starren religiösen Strukturen auseinandersetzt. Die Hauptrolle spielt Keisha Castle-Hughes, die für ihre Darstellung der Paikea als jüngste Oscar-Nominierte für die beste Hauptrolle in der Geschichte Hollywoods belohnt wurde. Für die Musik zeichnete sich Lisa Gerrard verantwortlich.


Walklänge in der Musik


Whale rider ist ein Film mit wunderschönen Bildern und Stimmungen. Die schauspielerischen Leistungen sind teilweise schlichtweg überragend, obwohl auch viel mit Laien gearbeitet wurde. Die Kameraführung des gesamten Films ist sehr sanft, beinahe schwebend. Und dementsprechend ist die Musik auch gestaltet. Sie ist zum allergrößten Teil elektronischer Natur. Die Themen sind alles andere als markant. Trotzdem hinterlassen die Klänge eine sehr charakteristische Stimmung. Viele der Stücke enthalten Wal-ähnliche Soundcollagen. Der Soundtrack ist von jeglichem Mickey-Mousing sehr weit weg. Die Untermalung erfolgt treffend, aber ist äußerst selten an genaue zeitliche Marker gebunden. Eine der wenigen Szenen, wo eine ziemlich genaue Synchronisation von Bild und Musik erfolgt, findet sich gegen Ende des Films.
Es muss hier kurz etwas erklärt werden. In der Religion der Maori, um die es hier geht, wird davon berichtet, dass sie alle von einem Vorfahren abstammen, der Paikea heißt (wie die Hauptdarstellerin auch) und welcher auf einem Wal reitend über das Meer nach Neuseeland kam. Die Vorfahren spielen im Glauben dieser Menschen eine herausragende Rolle. Es wird auf sie geschaut; wie sie Dinge getan hätten. Sie nehmen in gewisser Weise eine fast göttliche Stellung ein.


Paikea auf dem Wal


Die oben bereits erwähnte Szene, welche im Folgenden beschrieben werden soll, beginnt nun damit, dass Wale stranden. Sehr viele. Die Dorfbewohner versuchen sich um diese zu kümmern. Paikeas Stimme aus dem Off sagt: "Sie kamen, um zu sterben." Dann fällt ihnen ein großer Wal auf. Und allen wird schlagartig klar, dass es der Wal ihres Vorfahren Paikea war, der geschickt wurde, um ihnen zu helfen. In gewisser Weise dient dieser Wal hier als Mittler zwischen Paikea und seinen Nachfahren. Als eine Art Erlöser. So wie Jesus im Christentum als Mittler zu Gott empfunden wird, steht der Wal zwischen den Menschen und ihrem Vorfahr.
Coro, der Großvater Paikeas, geht auf den Wal zu. Er betet zu ihm. Dann entscheidet er, dass man ihn mit aller Kraft ins Meer zurückbringen muss. Mit diesem Wal droht Coros Glaube zu steigen und zu fallen. Es wird ein Traktor geholt und viele Menschen setzen ihre Kraft ein. Aber das Seil reist. Und sie geben vorerst auf. Hier beginnt die Musik einzusetzen. Der sonstige Ton tritt in den Hintergrund. Ein elektronisches Klavier spielt ein trauriges, von synthetischen Streichern untermaltes Motiv, als sie den Wal verlassen. Im gleichen Atemzug nähert sich Paikea ihm. Es folgt eine Szene, in der Paikea ohne Worte zu dem Wal betet. Die Musik schwingt um in einen tiefen Bass, der etwas von einem Neuanfang hat. Dazu gesellen sich wieder walähnliche Klänge. Nachdem sie gebetet hat, klettert sie auf den Wal. Die Szene wird immer dichter und intensiver. Paikea, oben angekommen, sagt zu dem Wal: "Los, komm schon." Und er setzt sich mit ihr auf dem Rücken in Bewegung.
Dann blendet die Musik langsam aus, als den Bewohnern auffällt, dass der Wal nicht mehr da ist. In dem Moment, als sie komplett weg ist, ruft die Großmutter, wo ihre Paikea sei. Sie ruft mehrfach nach ihr, bevor die Musik mit einem Ton einsetzt, als sie in die Ferne schaut und etwas zu sehen scheint, was der Zuschauer bereits erahnt. Ein Bass kommt hinzu. Die Kamera dreht sich langsam in Richtung Meer. Eine zutiefst mystische Stimmung entsteht, die ihren Höhepunkt in dem Blick auf Paikea auf dem Wal findet. In genau diesem Moment setzt eine Stimme ein, die etwas auf Maori singt. Ich konnte leider keine Übersetzung für den Text finden, vermute aber, dass es sich um etwas Offenbarendes handeln muss. Es ist die zentralste Szene des Films, denn in dem Moment wird klar, dass Paikea der neue Anführer der Gemeinde sein soll, wogegen sich ihr Großvater immer gewehrt hatte. Die Musik hat nichts Monumentales an sich, noch erhöht sie die Szene in unnötigem Maße. Aber sie zeigt schon die Bedeutung des Geschehenden sehr deutlich.


Whale rider - Maori-Gesänge und Synthesizer


Mit Whale rider hat Lisa Gerrard einen Soundtrack geschrieben, der sehr mystisch daherkommt. Die meisten Stücke sind geprägt von Sehnsucht, teilweise findet sich auch tiefe Trauer. Es ist keine Musik für Menschen, die sich mit Melancholie eher ungern auseinandersetzen. In den Klängen verbinden sich teilweise Maori-Gesänge und tranceähnliche Harmonien auf wundersame Weise. Es ist kein Soundtrack wie jeder andere. Und es gibt nicht viele Soundtracks, die so sind wie er. Es kann aber beobachtet werden, dass er sehr polarisiert, eben da sich der Zugang zu ihm als schwierig herausstellen kann.


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