Harry Potter und der Stein der Weisen (John Williams) - Filmmusik-Betrachtung


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Trailer zu Harry Potter und der Stein der Weisen


Harry Potter und der Stein der Weisen ist der erste Teil eines der größten Phänomene der Unterhaltungsindustrie dieses jungen Jahrhunderts. Mit einem Gesamt-Einspielergebnis von ungefähr 7,7 Milliarden US Dollar sind die 8 Filme die erfolgreichste Filmreihe aller Zeiten. Dabei machten sich vier verschiedene Regisseure und ebensoviele Filmkomponisten an ihr verdient. Die Eröffnung wurde im musikalischen Bereich durch John Williams angegangen.


Einordnung in Williams' Gesamtwerk

Wir schreiben das Jahr 2001. John Williams gilt als der wahrscheinlich beste Filmkomponist aller Zeiten. Er hat vier Oscars für die beste Original-Filmmusik (Der weiße Hai, Star Wars, E.T., Schindlers Liste) und schier endlose Nominierungen auf dem Konto. Seine letzten Projekte umfassten unter anderem die Wiederaufnahme des Star-Wars-Franchise, Der Patriot und Die Asche meiner Mutter. Viele fragen sich vielleicht, ob Williams seinen künstlerischen Zenit schon erreicht, oder bereits überschritten hat. Im Nachhinein ist man immer klüger.
Jahre später gab es Stimmen, die meinten, Harry Potter sei Williams' bisher letzter großer Beitrag zur Filmgeschichte gewesen. Natürlich komponierte Williams über die Jahre weiter Musik für sehr erfolgreiche Filme, wie zum Beispiel Minority Report, Die Geisha oder Catch me if you can. 2012 errang er sogar noch einmal zwei Oscarnominierungen in einem Jahr für Gefährten und Die Abenteuer von Tim und Struppi, allerdings war den meisten Kennern der Szene wohl von vornherein klar, dass der Majestro dort leer ausgehen würde. Die Gründe dafür sind so gemein, wie auch logisch.
Christian Clemmensen von Filmtracks.com sagte einmal sinngemäß, dass es etwas unfair sei, bei der Bewertung eines Williams-Soundtracks immer wieder Vergleiche zu älteren, herausragenden Werken zu ziehen. So gab er sowohl Sieben Jahre in Tibet als auch Die Asche meiner Mutter nur 4/5 möglichen Sternen, da er sie fortwährend mit Schindlers Liste verglich. Hätten andere Komponisten diese Scores geschrieben, wäre die Bewertung vielleicht anders ausgefallen. So aber ist die Vergangenheit für Williams Segen und Fluch zugleich. Er hat die Messlatte irgendwann selbst so hoch gelegt, dass sie kaum noch zu erreichen war.


Was die Musik zu Harry Potter so beliebt macht

Zuerst einmal ist hier natürlich "Hedwigs Theme" zu nennen. Bei dessen Uraufführung gab es so viel Applaus, dass Williams Gerüchten zufolge schnell klar wurde, dass man dieses Thema nicht nur im Zusammenhang mit Harrys fliegendem Haustier nutzen durfte. Also wurde das Stück zu einer so zentralen Melodie, dass selbst Williams' Nachfolger sich ihm nicht entziehen konnten und es zumindest immer wieder anklingen ließen. Es ist harmonisch betrachtet vor allem durch Terzverwandschaften in moll gekennzeichnet und hat dadurch einen sehr mystischen, abenteuerlichen Klang. Es handelt sich um eines dieser Stücke, welches man anspielen kann, wo man will: Die meisten Zuhörer sind in der Lage, es  nach wenigen Takten recht klar einzuordnen.
Ein zweites wichtiges Thema ist im Track "Harry's Wondrous World" zu finden. Dieses wird harmonisch besonders durch Medianteneinsätze geprägt. Hier bietet sich der, zum Entstehungszeitpunkt sehr beliebte Vergleich zur Herr der Ringe-Trilogie an, denn gerade wenn man sich dieses Thema und Howards Shores musikalische Umsetzung der Bruchtal-Elben ansieht, findet man doch gewisse strukturelle Gemeinsamkeiten, wenn natürlich die Stimmungen filmbedingt etwas auseinandergehen. Gerade der erste Potter-Film war doch für eher sehr viel jüngeres Publikum konzipiert, als der Herr der Ringe.


Eine große Fülle an Melodien

Diese zwei Themen stehen aber nicht allein da, denn Harry Potter und der Stein der Weisen enthält zahlreiche Motive und Themen mehr. So hat Diagon Alley seine eigene Melodie, die gewisse Anleihen an Williams' Soundtrack zu Hook nimmt. Die Goblins sind im selben Track ebenfalls mit einem Motiv ausgestattet. Das Stück "Entry into the Great Hall and the Banquet" lässt zusätzliche Parallelen zur Banquet-Szene in Hook erkennen. Interessant ist die Hymne "Hogwarts Forever", welche eine Mischung aus Ehrerbietung und bewusst gesetzten schiefen Tönen vereint. Sie erinnert in dieser Hinsicht ein wenig an die Promenadenmusik aus Der weiße Hai, wo Williams ebenfalls bewusst falsche Töne einbaute um eine gewisse Flapsigkeit zu erzeugen. Ob man nun im Track "The Norwegian Ridgeback" wirklich eine klare Melodie für den kleinen Drachen Norbert erkennen kann oder will, soll hier offen bleiben, aber fest steht, dass Williams dem Bösen recht klare Motive zugeordnet hat, und auf diese soll hier noch eingegangen werden.


The face of Voldemort

Das erste steht für eine allgemeine Mystik, welche, zumindest in Teil 1, eng mit dem Stein der Weisen verbunden ist. Es handelt sich um ein Dreitonmotiv, welches das erste Mal zu hören ist, als Hagrid den Stein aus dem Verließ in Gringotts nimmt. Interessant ist der Fakt, dass dieses Motiv auch in Harry Potter und die Kammer des Schreckens genutzt wird- und zwar vornehmlich im Zusammenhang mit Tom Riddles Tagebuch. Es erfährt also inhaltlich eine gewisse Veränderung der Konnotation. Harmonisch ähnelt es sehr stark Hedwigs Thema, denn es wird durch eine Molltonart und eine, eine große Terz darunterliegende Molltonart begleitet (beispielsweise a-moll und f-moll). Selbiges gilt im Grunde genommen für das zweite Motiv des Bösen, denn auch hier ist selbiger Harmoniewechsel zu beobachten. Des Weiteren besteht dessen Melodie zum größten Teil aus kleinen Sekunden und kleinen Terzen, was ihm einen mystischen, bedrohlichen Charakter verleiht. Beide Motive finden sich unter anderem im Track "The face of Voldemort".


Im Schatten des Herrn der Ringe

Im Grunde genommen ist es wahrscheinlich, bei allem Respekt für James Horner und Randy Newman, dass in erster Linie Howard Shore Williams den Oscar 2002 vor der Nase weggeschnappt hat. Williams ging in die Verleihung mit zwei Nominierungen, nämlich Harry Potter und der Stein der Weisen und A.I. - Artificial Intelligence, hinein - und leer hinaus. Dass Der Herr der Ringe aus der Filmmusik-Geschichte herausragt ist keine Frage. Ob nun gerade der erste Teil dafür ein Aushängeschild ist, darüber kann man streiten, denn eigentlich begann Shore erst in The Two Towers sein ganzes Potential in die Waagschale zu werfen. Dennoch kam Shore mit The Fellowship of the Ring aus der Versenkung, wie Williams zwei Jahrzehnte zuvor mit Star Wars, weshalb die Entscheidung der Academy wohl nachvollziehbar ist. Was mit Harry Potter und der Stein der Weisen bleibt, ist ein herausragendes Hauptthema, zahlreiche magische Melodien und ein sehr gelungener Einstieg in die musikalische Welt von Hogwarts.



Special: Clips from the movie

Hier hört man ab 0:50 die Melodie aus "Harry's Wondrous World."



In diesem Clip finden sich die beiden Motive des Bösen: Zuerst, ab 0:07 das Dreitonmotiv allein, während sich ab 0:18 das eigentliche Voldemort-Motiv dazu gesellt. 





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